Wir leben in schweren Zeiten. Flüchtlingsdrama, Krieg, Verunsicherung, ...Trotzdem sollte man die wunderbaren, magischen Momente dieser Zeit geniessen. Dieses Wochenende hatte ich 72 viel zu kurze Stunden einen dieser Momente.
Ich war via Facebook, diesem speziellen Medium, zu einer Frauenjagd eingeladen worden. Anfangs war ich doch recht skeptisch, viele Mädels älter als ich (ok, das macht nichts, aber man weiss ja nie...), es machte den Anschein, als würden sich alle bereits kennen, alleine wollte ich nicht so recht hin. Kaffeeklatsch, Mädels und jagen?! Geht das? Ausserdem bin ich gerade so angefressen auf Wildschweine, soll ich da wirklich hin? Wo viele Frauen aufeinander treffen ist gern auch viel Zickenkrieg. Ach, hin- und hergerissen....
Schaden würde es aber sicher nicht, also warum nicht?
Am Freitagmorgen packte ich also hektisch meine Siebensachen, meine Woche war anstrengend gewesen und ich hatte das völlig verschlafen. Schnell zu meinem Partner in die Wohnung, Waffe holen, Lotti liess bei ihm, Freya, dieses anhängliche Wesen, durfte mit. Und dann los. 450 Kilometer Auto fahren, zwischendrin fragte ich mich schon, ob ich nicht gehörig einen an der Waffel hätte. Für zwei Tage so viele Kilometer reissen, aber naja. Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen.
Ich fand mich so ländlich wieder, dass mein Navi mich drei Dörfer vor dem eigentlichen Gasthaus verliess und ich mich durchfragen musste. Endlich dort war ich auch erstmal alleine, keine andere Menschenseele um mich herum, ausser der Herbergsleiterin, die mit Blick auf meinen zotteligen Begleiter Hunde im Bett sofort untersagte. Och ne, die pennen bei mir doch immer im Bett.
Kurze Zeit nach mir trudelte ein grüner Jimny ein, auf dem Dach ein Schlafaufbau, darin grauhaarige Dame, das passte irgendwie noch nicht in mein Weltbild und auch die schwierige Handtasche, die zu Frauen mit grauen Haaren gehört, hatte sie nicht dabei. Die Begrüssung, obwohl wir uns nicht kannten, war sehr herzlich. Wow! So will ich auch sein, wenn ich älter werde. Die Erwähnung von fünf Hunden ("Weisst du, einer ist halt nur Hund, der Rest ist aber jagdich geführt.") brachte mich erst recht zum Staunen, es waren nämlich nicht irgendwelche Hunde, sondern Weimaraner und ein Rauhbart. Wie bitte?! Mein Kiefer fand sich das erste Mal auf dem Boden wieder, so quirlig und so nett hatte ich schon lang keine Dame mehr erlebt.
Planlos, wie ich gern bin, heftete ich mich an ihren Jimny und wir fuhren zur Jagdhütte, eine nette Untertreibung für ein vollausgestattetes Haus in einem weiten Waldgebiet. Dort trafen wir auf die weiteren Mädels - wow, allesamt und jede eine einzigartige, passionierte Frau, gestandene und noch nicht so gestandene Jägerinnen und ich dazwischen. Die Begrüssung war herzlich, bei allen. Zickenkrieg? Böse Blicke? Meiden? Nö. Nicht einmal. Wow. klar kannten sich viele untereinander, aber das war eigentlich nicht weiter tragisch, der Rest wurde integriert. Fertig. Mir schwirrte der Kopf vor lauter Namen, wenn ich allerdings Stösschen und einen ruhigen Abend erwartet hätte- völlig fehl am Platz. Diese Mädels sind passioniert- und wie. Es gab hervorragendes Rehgyros, viel, viel Gelächter und spannende Gespräche, bis unser Jagdleiter sich erhob und verkündete, auf was wir jagen würden. Heute Abend, quasi sofort, mein Kiefer fand sich abermals auf dem Boden der Tatsachen wieder. ROTWILD???? Hatte ich das recht verstanden? Ich vergewisserte mich nochmals. Ja. Das, was mein Traum vom Jagen war. Genau dieses Rotwild, das ich seit Kindertagen staunend in jedem Tierpark betrachte und mich kaum losreissen kann.
Alle brannten darauf loszufahren, wir wurden auf die Ansteller verteilt, ich war noch viel zu tüddelig und zu unorganisiert, um alles direkt griffbereit zu haben, also musste ich mich gehörig beeilen, um hinterher zu kommen. Mein Jagdteam bestand aus unserem genialen Ansteller, einer ganz frisch gebackenen Jägerin und einem Mädel mit dicker Hose (wie ich sie in dem Augeblick noch etwas mitleidig anschaute und circa dreissig Minuten später für ihre weise Voraussicht bewunderte) mit einer Dachsbracke, die mich an Lotti erinnerte, klein, wurstig, eigen und einfach zum Liebhaben - später an diesem Wochenende waren es genau diese Dachsbracke und diese schlaue Jägerin, die mir riesig helfen würden. Die ich, obwohl ich sie kaum 72 Stunden kannte, fest ins Herz schliessen würde, wie viele der anderen Mädels auch.
Dazu und den anderen Abenteuern, die ich erleben durfte bald mehr.