Liebe Leser,
ich freue mich sehr, hier einen tollen Erlebnisbericht der Jägerin Hannah veröffentlichen zu dürfen...
Ich genoss es, mit der Lektüre ihre Liebe zur Jagd und zu der uns umgebenden Natur nachempfinden zu können und bin überzeugt, dass es euch beim durchlesen ebenso ergehen wird!
Ich ziehe die kalte Luft scharf ein.
Wir sind auf über 1000m Höhe und ich glaube im Paradies gelandet zu sein.
Eine urige Hütte - ohne Strom, nur mit einem Kachelofen und Quellwasser versorgt - mitten in den Höhenlagen des Schwarzwaldes mit einem gigantischen Ausblick!
Racker stupst mich an und grinst gefühlt über beide Ohren.
Gott ich liebe diesen Hund!
Beim kleinen Wasserjägdchen mit meinen lieben Freunden hat er alles gegeben und mit wahnsinniger Energie und Freude Wild angezeigt, aufgestöbert, Schwimmspuren gearbeitet und nach dem Schuss brav gebracht.
Aus den Gedanken werde ich aber sofort gerissen, als es heißt:
"Wir fahren gleich, die Mädels kommen mit mir nach Jahrlingen pirschen!"
Jahrlinge? Gams also? Pirschen? Hier?
Mir bleibt das Hirn stehen - ich hab keinen Wanderstock mit, und beim hochfahren zur Hütte habe ich auch einiges an Felsen gesehen. Aber okay. Dann gehen wir pirschen.
Wieder einige Höhenmeter mit dem Auto überwunden, geht es zu Fuß weiter, immer bergauf.
An Lotharflächen vorbei, sind wir relativ schnell auf einem Kamm. Langsam weiter, leise weiter.
Und genau das stellt sich auf diesen Flächen als schwierig dar. Viel Totholz, viele dürre Äste auf dem Boden, viele Steine.
Wir blicken den Hang hinunter, glasen alles langsam ab.
"Gamsen", sagt Wolfgang, ehemaliger Förster des Revieres und seit 40 Jahren hier unterwegs. Und tatsächlich, auch ich sehe die Gamsgeiß mit ihrem Kitz ein Stück unter uns liegen. Wo eine Gams ist, sind normalerweise mehrere.
Ich merke wie mich dieses Gefühl überkommt.
Jetzt ganz ruhig. Nur keine schnellen Bewegungen.
Die Gamsgaiß steht auf - und pfeift. Doch irgendwas mitbekommen. Sie bewegen sich langsam und wir folgen ihnen oben in geduckter Haltung.
Wolfgang fragt leise,wer von uns beiden eigentlich schießt. Ich rechne fest mit Isabel und hab die Waffe eigentlich wegen eventuell anwechselndem Rehwild dabei.
"Hannah, wenn sie schon da ist, soll sie auch schießen". Ich schlucke und versuche zu protestieren, vor allem weil ich weiß, dass Isabel selbst noch keine Gams hier erlegt hat. Aber Isabel nickt. Ich konzentriere mich wieder auf den Hang. Doch die Bühne ist leer...
Wir pirschen langsam weiter, kommen an reichlich Auerwildlosung und von den Gamsen frisch verbissenen Himbeeren vorbei. Die Sonne verschwindet immer tiefer hinter den tiefdunklen Waldhängen des Schwarzwaldes. Auch wenn wir nicht mehr an Wild kamen, macht so etwas dennoch glücklich!
Nach einem schönen Abend auf der Hütte vor dem Kachelofen, lasse ich die Hunde nachts noch einmal ins Freie - ist das Gras gefroren. Man merkt dass es Herbst wird und der Winter bevorsteht.
Den Morgen starten wir mit einem Ansitz und die Kanzel "Alpenblick", sollte ihrem Namen mehr als gerecht werden. Leider bewegten sich die Tannen nur wegen dem aufkommenden Wind. Aber Moment. Da sitzt doch etwas Schwarzes im Baum.
Gibt es hier Kolkraben? Mit Glas zeigt sich dann aber was es ist - ein Auerhahn!
Ich beobachte das Schauspiel und wenige Minuten später streicht auch eine Auerhenne.
Ein ideales Biotop haben sie hier oben ja. Auch als wir zurück an die Hütte fahren, begegnen wir diesen eindrucksvollen Hühnervögeln noch einmal. Ein Hahn sitzt wie festgewurzelt auf dem Weg. Langsam fahren wir näher, um ihm die Chance zu geben abzustreichen, und uns die Chance auf ein Foto zu geben. Ja er geht zur Seite, schlägt sein Rad.
So hautnah diese Vögel zu erleben - mehr als nur ein "netter" Anblick!
Nach einem Frühstück beschließen wir, nochmal zu pirschen. Wolfgang nimmt mich wieder mit. Wir wollen nach einem anderen Rudel als am Abend vorher suchen, über dessen Tagesaufenthaltsort sich Wolfgang fast sicher ist. Aber vor allem sollte ich kennenlernen, was Pirschen im Schwarzwald wirklich heißt.
Es geht steil bergab durch Buchenaltbestände, und als wir entlang des Hanges laufen, wird es immer felsiger - ein ideales Gamsgebiet. Wir kommen an alten Bergwerken aus dem Mittelalter vorbei und finden dort tatsächlich auch ein kleines Stück Quarz. Fliegenpilze, aber auch jede Menge Essbares säumen unseren Weg. Ich lerne die fast ausgestorbene Weistannenbartkoralle kennen. Das unterstreicht die wundervollen Erlebnisse, auch wenn das erhoffte Wild ausbleibt.
Es geht weiter am Hang entlang. Es fängt an zu regnen und wird immer felsiger.
Aber weder Rehe noch Sauen noch die so sehnsüchtig gesuchten Gämse sind da.
Wir finden Fährten, auch frische Losung. Ich sauge alles auf, was dieser alte Förster und Waidmann zu erzählen hat und merke so kaum wie wir die Kilometer runterreißen und kurz vor dem großen Regen zurück ans Auto kommen.
Als ich den Berg wieder hinunter fahre, fühle ich mich, wie wenn ich in eine andere Welt zurück kehre.
Ich liebe diese Wochenenden, dieses "so-eng-mit-der-Natur-sein". ❤