Schwarzer Jagdtag

Oje, was für ein schwarzer Tag...

Die letzten Tage musste ich zunächst die Erlebnisse dieser Drückjagd verarbeiten und verdauen, bevor ich mich zum Schreiben aufraffen konnte.

Natürlich erzählt kein einziger Jäger gerne von seinen eigenen Fehlern oder von unerfreulichen Jagderfahrungen mit sich selber als Hauptperson; dennoch gehören solche Geschichten auch hinsichtlich zukünftiger Jungjäger erzählt, sind doch diese negativen Erlebnisse und Erfahrungen zu unserem Leidwesen Be-standteil eines jeden Jägerlebens!

Gerade ein Jungjäger muss wissen, dass die Jagd nicht immer reibungslos und perfekt verläuft... auch wenn wir Jäger selbstverständlich alles unternehmen, um alle möglichen Risiken oder Fehler auszuschliessen.


Nun denn..., nach der Sichtung der Schwarzkittel am Sonntag Abend war ich die folgenden drei Nächte ohne weiteren Sauenanblick zu haben im Revier unterwegs. Der Donnerstag fiel wegen dichtem Nebel aus und am Freitag wollte ich wegen der Drückjagd am nächsten Tag nicht raus.

Der samstägliche Jagdtag konnte bei klarem Himmel und prognostiziertem Sonnenschein nicht besser und verheissungsvoller starten. Mein Jägerherz lachte glücklich und ich freute mich riesig auf die vor mir liegenden Abenteuer des Tages.

Im ersten Treiben hatte ich dann bereits vor dem Signal zum Beginn einen Fuchs im Anblick. Da er "von hinten" antrabte und trotz meines aktiven Gehörschutzes - also mit Geräuschverstärker - erst ganz zum Schluss ein vernehmbares Rascheln verursachte, erblickte ich ihn erst auf etwa 15 Metern Distanz.

Der Fuchs wurde meiner jedoch im gleichen Augenblick gewahr und gab schlauerweise sofort rasant Fersengeld! Nichts erlegt, ist auch gejagt...

Später im Treiben sprang ein von den Hunden aufgemachtes Reh ausserhalb der Schussdistanz für Schrot und flüchtig an meinem Stand vorbei. Generell brachten unsere Treiber und Jagdhunde heute viel Wild auf die Läufe, so dass allenthalben fast alle Jäger Anlauf und Anblick vermelden konnten.

Auf der Strecke lagen somit bereits nach dem ersten Treiben ein Fuchs und eine nicht führende Rehgeiss.

Beim Aufbrechen der Rehgeiss am Sammelplatz unterlief mir schliesslich der erste kleine Dämpfer des Tages - ich schnitt mir äusserst ungeschickt sehr tief in den linken Daumen!

Schnell wurde mir ein kleiner Druckverband auf die stark blutende Wunde angelegt und ich beendete anschliessend dennoch selber das hängende Aufbrechen (natürlich mit Handschuhen) des Stückes.

Zum zweiten Treiben unternahm ich zusammen mit dem Ansteller einen vierzig minütigen anstrengenden Marsch den Hügel hoch und am Kamm entlang zu unseren Ständen. Dort hatte ich mich noch nicht einmal richtig eingerichtet als das Signal für den Start des Treibens erklang und kurz darauf zum Sauen-Alarm geblasen wurde!!

Ich lud auf Flintenlaufgeschoss um, liess meine Bockbüchsflinte jedoch gebrochen, um bei Reh oder Fuchs allenfalls wieder umladen zu können.

Da vernahm ich auf einmal ein lautes Rascheln und Rauschen... Das sind Wildschweine!!

Gewehr zu und in den Anschlag... und da!

Vier Wildschweine in einer Reihe... alle gleich gross... Überläufer? grössere Frischlinge?

Obwohl keine Leitbache auszumachen ist, entsichere ich und ziele auf das zweite Stück.

Der Blick ist frei... ich halte vor und lasse fliegen...

Nach dem Knall zieht das erste Wildschwein nach unten, das von mir Beschossene geht ins Dickicht... liegt es?

Ich fahre mit dem Leuchtpunkt auf das letzte Wildschwein, das immer noch gerade aus läuft, entsichere wieder und halte wegen des Flintenlaufgeschosses viel zu weit vor... der Schuss geht vorne vorbei!

Links sehe ich das zweite und von mir beschossene Stück aus dem Dickicht raus kommen... ich lade nur eine Kugelpatrone nach... lege an und lasse wieder fliegen...

Die Kugel trifft das Wildschwein seitlich von hinten schräg in den Nacken, das Stück zeichnet definitiv... erst zuckt es, dann bricht es zusammen und rollt den Hang hinunter...

Wieder nachladen... diesmal Kugel und Flintenlaufgeschoss... rascheln, rauschen, knacken im Walde... dann Stille.

Nun rast mein Puls... ich atme flach und schnell, meine Beine fangen an zu zittern, die Gedanken jagen...

Deutlich sehe ich den Einschlag der Kugel vor dem geistigen Augen. Die Wildsau muss liegen!

Dennoch gebe ich keine Signal für die Erlegung, da ich die liegende Sau nicht sehen kann...

Kurz darauf ruft mich der linke Standnachbar und heutige Jagdleiter an.

Ich gebe ihm die Info:

"Hatte Anlauf von vier Sauen, zwei Sauen beschossen, eine müsste liegen, die andere fast sicher gefehlt..."

Nach 10 Minuten dann zwei Schüsse bei eben dem linken Standnachbar.

Kurz darauf wieder ein Anruf:

Er hatte Anlauf von drei Sauen, wieder zwei Stück beschossen, ein Stück liegt, das zweite wohl gefehlt, muss nachgesucht werden.

Somit war klar, dass ich meine zweite Sau gefehlt hatte! Und die erste müsste liegen.

Während des Telefonats kommt ein Jagdhund und gibt unterhalb von mir Laut... der Jagdleiter meint, ich solle meinen Stand verlassen und die wohl liegende Sau bergen, bevor der Jagdhund sie anschneidet.

Ich gehe zum zweiten Anschuss und stelle dort viel Schweiss fest. Das beruhigt mich fürs erste...

Neben der Schweissfährte und ohne auf ihr herum zu trampeln, folge ich ihr den Hang herunter.

Aber nirgends eine Wildsau!?

Auf dem Fahrweg unten angekommen, werde ich von unserem "Koch", der etwa 70 Meter weiter oben am Aserfeuer steht, angerufen... Das Wildschwein sei keine 30 Meter am Feuer vorbei entlang gezogen!

(Dabei hat er das Foto ganz oben geschossen... Wildschwein ist knapp oberhalb der Mitte zu sehen!)

Ich folge der Fährte weiter über zwei Waldwege hinweg und schliesslich in ein dichtes Wäldchen, keine 200 Meter vom Feuer entfernt. Dort wird es mir nun zu gefährlich. Ich sehe nur noch dichtes Gehölz und Brombeeren vor mir.

Ohne auf die Fährte zu treten, gehe ich seitlich aus dem Wäldchen hinaus auf eine alte Rückegasse. Dieses läuft genau am Dickicht entlang bis es an einen Hang stösst, der nun wieder viel offener und übersichtlicher bewachsen ist. Am Übergang zum Hang bleibe ich stehen und lausche in das Dickicht hinein. Hier kann ich zwei Seiten des Dickichts recht gut überblicken.

Mittlerweile wurde zum Ende des Treibens geblasen und während ich höre wie Treiber und Jäger dem Feuer- und Sammelplatz zuströmen, vernehme ich im Dickicht vor mir ganz deutlich das leise Grunzen und die Laute eines Wildschweines!! Es steckt also noch da drin!!

Telefonisch informiere ich den Jagdleiter über meine Position und meine Vermutung. Er solle doch bitte das Dickicht sofort umstellen lassen!

Nun in Kürze:

Der Schweisshundeführer wird angefordert. Die erlegte Wildsau meines Nachbars wird aufgebrochen. Ein erster Versuch der Umstellung wird abgebrochen. Ich werde von meinem Stand abgezogen. Das dritte Treiben wird wegen der anstehenden Nachsuche und der angeschweissten Wildsau nicht durchgeführt. Der Aser wird vorgezogen.  Zwei Schweisshundeführer treffen ein. Der eine sucht die zwei anderen beschossene Wildsauen nach und ich gehe mit dem einen Führer mein Wildschwein nachsuchen. Zuvor erfolgt eine grossräumigere Umstellung des Dickichtes.

Auf die Schweissfährte angesetzt, folgen wir dem Schweisshund in das Dickicht, wo er uns zwei Wundbette mit jeweils viel Schweiss anzeigen kann. Aus dem Dickicht draussen, stelle ich fest, dass ich keine 15 Meter vom letzten Wundbett entfernt stand!

Nun geht es, ohne überhaupt Schweiss melden zu können, rechts durch dichtes Stangenholz den Hang runter. Wieder auf einem alten Waldweg angekommen werden wir von einem Jäger gestoppt... der Schweisshund sei einem Reh gefolgt, dass gerade hochflüchtig abgesprungen sei. Ernüchterung macht sich breit, aber ein guter Hund ist Gold wert!

Der Schweisshund wird erneut angesetzt; klappt es diesmal?

Jetzt geht es im Zickzack gerade aus den Hang zu einem Schlupf hoch. Nirgends ist Schweiss festzustellen.

Auf dem Kamm wenden wir uns im letzten Tageslicht nach links und folgen dem Kamm um zu schauen, ob der Schweisshund irgendwo Schweiss anzeigt. Fehlanzeige. Im nächsten Schlupf geht es den Hang wieder runter.

Schliesslich gibt der Schweisshundeführer für heute auf und wir blasen zum Ende. Für den nächsten Tag verabreden wir uns um acht Uhr in der Früh für eine erneute Nachsuche.

Die anderen, zeitlich parallel verlaufenden Nachsuchen blieben ebenfalls erfolglos, obwohl hier auch kein Schweiss aufgefunden wurde und demnach wohl Fehlschüsse vorlagen.

Den Rest des Abends diskutiere ich mit einigen Jägern das Erlebte und den Ablauf immer wieder aufs Neue...

Was ist wohl genau geschehen?

War es ein Krellschuss? Ein Gebrächschuss? Ein starker Streifschuss?

Was hätte man im Anschluss besser machen können, oder müssen?

Sofort umstellen und mit Jägern durchdrücken?

Wache aufrecht erhalten, bis der Schweisshund kommt?

Und, und, und...

Nach einer kurzen Nacht voller Selbstzweifel und Selbstvorwürfen dann die zweite Nachsuche am Sonntag morgen... leider erfolglos!

Nach der Verabschiedung des Schweisshundeführers sass ich noch einige Zeit im Auto und ging das Ganze im Kopf immer wieder neu durch... stieg nochmals aus und suchte die Gegend alleine nochmals ab.

Die Ereignisse und das Erlebte werden mich sicher lange Zeit verfolgen und es liegt an mir, die richtigen Lehren und Schlüsse daraus zu ziehen.

Waidmannsgruss, ein Waldläufer

  

Nachtrag: das Stück konnte zum Glück wenige Tage später durch einen Jagdkameraden erlöst werden...