Wenn man mit einem Jäger zusammen ist, muss man damit leben, dass man hin und wieder die zweite Geige spielt oder sogar ab und zu nicht mal im gleichen Orchestergraben steht!
Meine arme (bessere) Hälfte hat nur sehr begrenzt Urlaub, bereits zu Anfang unserer Beziehung hiess es:
"Mindestens eine Woche brauche ich für die Hirschjagd!"
Errm, ok...
"Du darfst aber mit."
Wie gnädig... der Herr!
Dieses Jahr habe ich mich gegen das Berner Patent und für meinen neuen Job entschieden (goldrichtig, wir haben ja noch das Revier und ich hab den Sechser im Lotto, eine geniale Klasse!), also darf Männle allein den Hirschen nachstellen.
Eine sehr widrige Eigenschaft der Berner Patentjagd ist der Jagdneid, im Vorfeld wird sich belauert, gegenseitig geärgert, Hochsitze geklaut. So ist das eben....
Am 1. September ging der Hirsch auf und der Herr war eigentlich nur noch semi-ansprechbar. Alles drehte sich um grosse Stiere, RIESIGE Trittsiegel, mindestens vom Mammut...
Ich verstehe die Faszination Jagd bestens, ohne Frage.
Deshalb nahm ich es ihm auch nicht krumm, als er mich am ersten Tag, den Montag, bat ihn doch nachts zu wecken, falls er verschliefe.
Meine leichteste Übung.
Im Gegensatz zu ihm und den Hunden schlafe ich nicht sehr tief. Mit der frohen Hoffnung, dass ich 15 Minuten nach der Weckaktion wieder schlafen würde, ging ich ins Bett.
Der Wecker klingelt.
Männle verpennt... ich wecke.
Anstatt heimlich, still und leise den Pirschgang zu üben, poltert er durchs Schlafzimmer und schaltet auch den Deckenfluter an. Schönen Schrank auch!
Hoffend, dass ers nun hat, verkrümel ich mich im Bett, schalte das Licht aus, er räumt seinen Käse ins Auto....und fährt nicht.
Kommt zurück.
Poltert durch die Wohnung und sucht seine Bergschuhe.
Ich fühle mich an Skilager mit meinen Kids erinnert, die morgens generell ihre Skischuhe nicht finden. Eine halbe Stunde Terror, freundlich ein paar Schimpfwörter an den Schädel gedonnert - ich bin nachts nicht very amused, wenn man mich weckt - er mit Sportschuhen ins Hochgebirge losgefahren...
Dann war mir kalt, Durst und Pippi.
Die verfluchten Bergstiefel standen unterm Küchentisch!!!
Angerufen, kleinlaut kam er an.
Wenigstens bricht er sich nicht die Haxen, auch wenn ichs ihm zwischendurch echt gewünscht hätte.
In der zweiten Nacht der Hirschwoche war ich der Meinung, dass ja nun der ganze Klumpatsch im Auto liegen MUSS...
Falsch!
Alles wieder sauber ins Haus geräumt, um es nachts wieder einzuräumen!?? Heh?
In der zweiten Nacht fehlte dann die Taschenlampe.
Grosses Drama!
Wohnung auf den Kopf gestellt, um sie schliesslich in der Mittelkonsole des Autos zu finden...
In der dritten Nacht suchten wir den Autoschlüssel...
ich dachte langsam wirklich darüber nach, den Schlüsseldienst anzurufen, um das Schloss zur Wohnung auszutauschen!!
Ich beschwere mich nie über meinen Beruf, aber morgens 21 Kids zu unterrichten, wenn man nicht ausgeschlafen ist, grenzt an seelische Grausamkeit.
Auch die Autoschlüsselsuche zog sich etwas hin, so 45 Minuten...
In der vierten Nacht war unser Nachbarsspitz zu Besuch, der ausgesprochen bellfreudig ist und den nachsuchenlosen Abgang meines Freundes eine halbe Stunde lang kommentieren musste...
...mit einer Stimme, die das Blut in den Adern gefrieren lässt!
Ich war mir mehrfach sicher, dass ich bei einem Gerichtsverfahren von möglichen Anklagepunkten, wie Mord oder Totschlag wegen seelischer Notwehr freigesprochen worden wäre, ich lief ziemlich auf dem Zahnfleisch...
Es gipfelte gestern Abend darin, dass ich nachts noch die Wohnung putzte, ihn zum Helfen animieren wollte und dann DEN Spruch hörte:
"Ich konnte mich in meinen Ferien gar nicht erholen!" ....
Männer sind ohne Worte manchmal echt zu viel und mit Worten... Egal.
Ich liebe ihn trotzdem und nächstes Jahr zur Hirschjagd schläft einer von uns im Hotel. Das schwör ich!
Es versteht sich quasi von selbst, dass diese Woche nicht von Erfolg gekrönt war...
Erst am Wochenende im Revier hat es wieder für eine Sau gereicht.
Männer!!
Alica Junker