Gamsbock im September 2019

Es ist Herbst...

die schönste Jahreszeit im Berner Oberland!

 

Seit dem 2. September ist die Rotwildjagd in vollem Gange.

Ab dem 10. September ist die Gamsjagd eröffnet - die Jagd auf die Gämse, oder den Gemsch, wie wir hier sagen - die Paradedisziplin der Berner Patentjagd.

Gestern war mein erster Gamsjagdtag.

Um 8.00 traf ich mich mit Dominic, dem Jungjäger (in der Schweiz Jäger im Ausbildungsjahr) in Mürren. Mit der Gondel fuhren wir hoch zum Birg auf 2700müM.

Das Gebiet ist steinig und wirkt an einem nebligen Regentag ungemütlich, ja bedrohlich. Aber es war ein prächtiger Herbsttag und es waren erstaunlich wenige Wanderer und Jäger unterwegs.

Leider konnten wir lange weder Steinböcke noch Gämsen ausmachen. Wir gingen hier rauf und dort runter, verschafften uns einen Überblick... hoch zum Grat, zwei Schritte vorwärts, einen zurück auf dem rutschigen Schieferuntergrund. Wir waren umgeben von einem Meer aus Rittersporn, wie ich es so noch nie gesehen habe. Die Kulisse war wie immer unglaublich beeindruckend.

Plötzlich entdeckten wir weit hinten in der Seite einen Bock, der auf einem Felsvorsprung lag, 732m von uns entfernt, 732m durch mehr oder weniger offenes Gelände.

Früher spielten wir Indianerlis, heute gehe ich auf die Gamsjagd.

Da mir mein Begleiter den Abstieg durch den felsigen, unwegsamen Tschingelchrachen zutraute (stand auf meiner Lebens-to-do-Liste, ganz weit unten), wollte ich angreifen.

Es war erst Mittag und wir hatten nichts zu verlieren.

Der Bock hatte uns schon lange bemerkt, blieb aber dummerweise (für ihn) liegen. Ich wusste, dass ich nur eine Chance zum Schuss hatte - den Moment, wenn er aufsteht, bevor er hoch in die Felsen springt.

Ich war soweit bereit, wir waren bis auf ca. 80m herangekommen, auf dem Bauch, auf allen Vieren, durch den Graben schleichend.

Ich stand im steilen Hang, hob den Kopf, der Bock stand jetzt, bereit zu springen...

ich schmeisse den Rucksack hin, lasse mich fallen, auflegen, Gewehr spannen, Zielfernrohr, Fadenkreuz,

...Schuss!

Er zeichnete und sprang ab.

Auf den zweiten Schuss, hochflüchtig, fiel er wie vom Blitz getroffen, schlegelte kurz und blieb regungslos liegen.

Dominic schaute mich an und meinte:

“Du spinnst! Ich wollte gerade sagen, es eile plötzlich und schon knallts!Jägersgfehl! Und überhaupt, der hatte nicht beim ersten Schuss”.

Die Anspannung blieb.

Wir mussten quer zum steilen Hang zum Tier. Ausnehmen und Bergen waren eine Herausforderung in der steinigen steilen Seite. Der Bock hatte zwei Treffer. Der zweite Schuss wäre nicht nötig gewesen, aber ich wollte vermeiden, dass das Tier in die Felsen hochspringt. Der erste Schuss war keine Meisterleistung, zu weit hinten und durch das Blatt raus...

Spinat! Viel Wurstfleisch! Aber tödlich!

Dann sitze ich beim Tier und geniesse den Moment.

Vor dem Schuss bin ich nicht nervös, nur angespannt – danach kommt eine Art Leere, Zufriedenheit und grosse Dankbarkeit, aber auch Bedauern, dass ich diesem stolzen Tier das Leben genommen habe. 

Der Jungjäger trägt die Beute, das ist so üblich - der Bock wog 22 kg und war deshalb “angenehm” zu tragen. Ich hatte zudem ganz vergessen, dass der Jungjäger normalerweise auch aufbricht – ich glaube, er nahm mir das nicht übel.

Ich hatte eine Blase am Fuss, die Knie zitterten, nach einem Purzelbaum vermisste ich meine Sonnenbrille... erschöpft, glücklich und schon ein bisschen stolz war ich dann später froh, unten in Mürren zu sein. Auch Dominic war zufrieden; es war für den zähen jungen Mürrner ein weiterer Gamsjagdtag als Begleiter, jedoch erstmals als Jungjäger. Schon als Schulbub nahm ich ihn mit auf Murmeljagd.

Ich liebe das Schilthorngebiet, auch wenn es mir körperlich einiges abverlangt. Und es war erschreckend, wie wenig Gämsen wir zählten. Gerade mal 12 Stück.

Früher sah man Rudel von 50 Tieren und grössere Bockrudel. Die letzten Jahre hat die Gamsblindheit gewütet und Luchs und gelegentlich auch Wolf fressen sich durch die Bestände.

Ich habe bis Ende September noch eine galte Geiss oder einen Jährling und ein Murmeltier zu gut.

Bis am 20. September heisst es aber erst mal noch Rotwildansitz.

 

Gamsjagd!

Jeder Jäger kann sie lösen (kaufen) - ein Abschuss wird je länger je mehr zum Privileg!